Monat: Oktober 2020

Klare Regelungen in Verbraucherkreditverträgen zur Berechnung der Widerrufsfrist

Verbraucherkreditverträge müssen in klarer und prägnanter Form
die Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist angeben. Dieses
wird nicht erfüllt, wenn auf unterschiedliche Paragrafen im nationalen
Recht verwiesen wird.Die Richter am Europäischen Gerichtshof (EuGH) hatten zu dieser Problematik
folgenden Sachverhalt zur Entscheidung vorliegen: Im Jahr 2012 nahm ein Verbraucher
bei einer Bank einen grundpfandrechtlich gesicherten Kredit über 100.000
€ mit einem bis zum 30.11.2021 gebundenen Sollzinssatz von 3,61 % pro Jahr
auf.Der Kreditvertrag sah vor, dass der Darlehensnehmer seine Vertragserklärung
innerhalb von 14 Tagen widerrufen kann und dass diese Frist nach Abschluss des
Vertrags zu laufen beginnt, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben
erhalten hat, die eine bestimmte Vorschrift des deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuchs vorsieht. Diese Angaben, deren Erteilung an den Verbraucher indessen
für den Beginn der Widerrufsfrist maßgeblich ist, führt der
Vertrag somit nicht selbst auf. Er verweist lediglich auf eine deutsche Rechtsvorschrift,
die selbst auf weitere Vorschriften des deutschen Rechts verweist.Anfang 2016 erklärte der Verbraucher gegenüber der Bank den Widerruf
seiner Vertragserklärung. Die Bank war der Ansicht, dass sie den Verbraucher
ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt hatte und die
Frist für die Ausübung dieses Rechts bereits abgelaufen war.Im o. g. Fall stellte der EuGH fest, dass der im fraglichen Vertrag enthaltene
Verweis auf die deutschen Rechtsvorschriften nicht dem Erfordernis genügt,
den Verbraucher in klarer und prägnanter Form über die Frist und die
anderen Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts zu informieren.Anmerkung: Ist die Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist
ungültig, kann ein Verbraucher ggf. den Widerruf noch nach der beabsichtigten
Frist erklären.

Keine Duldung der Zeiterfassung per Fingerabdruck

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LAG) hat mit Urteil vom 4.6.2020
entschieden, dass Arbeitnehmer nicht zu einer Zeiterfassung per Fingerabdruck-Scanner
verpflichtet sind. Zu dieser Entscheidung lag dem Gericht folgender Sachverhalt vor: Ein Arbeitgeber
führte ein Zeiterfassungssystem ein, das mit einem Fingerabdruck-Scanner
bedient wird. Das eingeführte System verarbeitet nicht den Fingerabdruck
als Ganzes, sondern die Fingerlinienverzweigungen (Minutien). Der Arbeitnehmer
lehnte eine Benutzung dieses Systems ab. Der Arbeitgeber erteilte ihm deshalb
eine Abmahnung.Das LAG führte aus, dass der Arbeitnehmer dieses Zeiterfassungssystem
nicht nutzen muss. Auch wenn das System nur Minutien verarbeitet, handelt es
sich um biometrische Daten. Eine Verarbeitung solcher Daten ist nach der Datenschutzgrundverordnung
(DSGVO) nur ausnahmsweise möglich. Eine solche Ausnahme kann hier nicht
festgestellt werden. Entsprechend war eine Erfassung ohne Einwilligung des Arbeitnehmers
nicht zulässig. Die Weigerung der Nutzung stellte deshalb keine Pflichtverletzung
dar, sodass der Arbeitnehmer die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte
verlangen durfte.

Verlängerung der Überbrückungshilfe und des Kurzarbeitergeldes

Die Bundesregierung hat sich auf Maßnahmen geeinigt, die den Betroffenen
der Corona-Pandemie weiter unter die Arme greifen sollen. So wird die Inanspruchnahme
von Überbrückungshilfen bis zum 31.12.2020 verlängert.
Nach Informationen der Bundessteuerberaterkammer wird das derzeitige Programm
für die Fördermonate Juli bis August 2020 unverändert weitergeführt;
die Anträge waren bis spätestens 9.10.2020 zu stellen. Anträge
für die Fördermonate September bis Dezember 2020 sind voraussichtlich
ab Oktober möglich.Die Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes wird für Betriebe, die bis
zum 31.12.2020 Kurzarbeit eingeführt haben, auf bis zu 24 Monate verlängert
(also längstens bis zum 31.12.2021). Mit dem "Sozialschutzpaket II"
wurde bereits eine befristete Erhöhung des Kurzarbeitergeldes, das u. a.
von der Dauer der Kurzarbeit abhängig ist, eingeführt. Regulär
beträgt das Kurzarbeitergeld 60 % und für Eltern 67 % des Lohnausfalls.
Nunmehr wird ab dem 4. Monat des Bezugs das Kurzarbeitergeld für kinderlose
Beschäftigte, die derzeit um mindestens 50 % weniger arbeiten, auf
70 % und ab dem 7. Monat auf 80 % des Lohnausfalls erhöht. Beschäftigte
mit Kindern erhalten ab dem 4. Monat des Bezugs 77 % und ab dem 7. Monat 87
%. Diese Erhöhungen gelten bis 31.12.2021 für alle, deren Anspruch
auf Kurzarbeitergeld bis zum 31.3.2021 entstanden ist.

Jahressteuergesetz 2020 in Planung

Mit dem sog. Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020) will die Bundesregierung notwendige
Anpassungen an EU-Recht und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
sowie des Bundesfinanzhofs vornehmen. Aufgegriffen wurden aber auch neue Regelungen.
Nachfolgend sollen zunächst die für die Steuerpflichtigen wichtigsten
Änderungen aufgezeigt werden.Neuregelung des Investitionsabzugsbetrags: Die Planungen sehen vor,
den Investitionsabzugsbetrag von 40 % auf 50 % anzuheben. Investitionsabzugsbeträge
und Sonderabschreibungen sollen künftig auch für vermietete begünstigte
Wirtschaftsgüter uneingeschränkt gelten. Das gilt unabhängig
von der Dauer der jeweiligen Vermietung. Somit sind künftig – im Gegensatz
zur bisherigen Regelung – auch längerfristige Vermietungen für mehr
als drei Monate unschädlich.Bislang gelten für die einzelnen Einkunftsarten unterschiedliche Betriebsgrößenmerkmale,
die für die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags nicht überschritten
werden dürfen. Künftig soll für alle Einkunftsarten eine einheitliche
Gewinngrenze i. H. v. 150.000 € für die Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbeträgen
gelten.Anmerkung: Diese Änderung gilt gleichermaßen auch für
die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen von bis zu 20 %.Insbesondere im Rahmen von Betriebsprüfungen wurde die "nachträgliche"
Beantragung des Investitionsabzugs in Anspruch genommen, um festgestellte Mehrergebnisse
auch noch nach Anschaffung eines Wirtschaftsguts zu kompensieren. Eine Neuregelung
verhindert die Verwendung von Investitionsabzugsbeträgen für Investitionen,
die zum Zeitpunkt der Geltendmachung bereits angeschafft oder hergestellt wurden.In Zukunft soll sichergestellt werden, dass der Investitionsabzugsbetrag nur
demjenigen gewährt wird, der auch tatsächlich Investitionen tätigt.
So kann er auch nur für Investitionen eines Mitunternehmers in seinem Sonderbetriebsvermögen
verwendet werden.Die Neuregelungen zum Investitionsabzugsbetrag und der Sonderabschreibung sollen
bereits in nach dem 31.12.2019 endenden Wirtschaftsjahren gelten.Steuerbegünstigte Zusatzleistungen des Arbeitgebers: Mit einer neuen Regelung
soll für das gesamte Einkommensteuergesetz klargestellt werden, dass nur
Zusatzleistungen des Arbeitgebers – also Leistungen, die zusätzlich zum
ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gezahlt werden – steuerbegünstigt sind.
Leistungen werden nur dann "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn"
erbracht, wenn

die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,
die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits
vereinbarten
künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und
bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht wird.

Hier hatte der Bundesfinanzhof mit Urteilen vom 1.8.2019 eine andere Auffassung
vertreten. Die Neuregelung ist erstmals auf Leistungen, die in einem nach dem
31.12.2019 endenden Lohnzahlungszeitraum zugewendet werden, zu gebrauchen.Steuerfreie Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld: Durch das Corona-Steuerhilfegesetz
wurde eine begrenzte und befristete Steuerbefreiung für Zuschüsse
des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld eingeführt. Die Befristung wird durch
das JStG 2020 um ein Jahr verlängert. Die Steuerfreiheit gilt damit für
Lohnzahlungszeiträume, die nach dem 29.2.2020 beginnen und vor dem 1.1.2022
enden.Verbilligte Wohnungsüberlassung: Bei einer verbilligten Überlassung
einer Wohnung zu weniger als 66 % der ortsüblichen Miete ist eine generelle
Aufteilung der Nutzungsüberlassung in einen entgeltlich und einen unentgeltlich
vermieteten Teil vorzunehmen, wobei nur die auf den entgeltlich vermieteten
Teil der Wohnung entfallenden Werbungskosten von den Mieteinnahmen abgezogen
werden können.Mit einer Änderung im Einkommensteuergesetz wird die Grenze für die
generelle Aufteilung der Wohnraumüberlassung ab dem Veranlagungszeitraum
2021 in einen entgeltlich und in einen unentgeltlich vermieteten Teil auf 50
% der ortsüblichen Miete herabgesetzt. Beträgt das Entgelt 50 % und
mehr, jedoch weniger als 66 % der ortsüblichen Miete, ist eine sog. Totalüberschussprognoseprüfung
vorzunehmen. Fällt diese Prüfung positiv aus, wird Einkunftserzielungsabsicht
angenommen und der volle Werbungskostenabzug gewährt. Bei einem negativen
Ergebnis ist von einer Einkunftserzielungsabsicht nur für den entgeltlich
vermieteten Teil auszugehen, für den die Werbungskosten auch nur anteilig
abgezogen werden können.Weitere Änderungen sind bei der Umsetzung des sog. Mehrwertsteuer-Digitalpakets
und die Konkretisierung zur Rückwirkung einer Rechnungskorrektur
geplant.Bitte beachten Sie: Diese Informationen wurden dem "Regierungsentwurf
des JStG 2020" entnommen. Bis zur Verabschiedung des Gesetzes können
und werden sich vermutlich noch Änderungen ergeben. Über die einzelnen
Neuregelungen informieren wir Sie, sobald das Gesetzespaket verabschiedet wurde
und sie in Kraft treten.

Fortführung der Tätigkeit trotz Veräußerung der freiberuflichen Praxis

Bei der Veräußerung einer Praxis aus einer selbstständigen
Tätigkeit entsteht i. d. R. ein steuerlich zu berücksichtigender Veräußerungsgewinn.
Damit dieser auch steuerbegünstigt behandelt wird, müssen die bisherige
Tätigkeit für eine gewisse Zeit in dem örtlichen Bereich eingestellt
sowie die wesentlichen Betriebsgrundlagen veräußert werden. Dazu
gehören auch die immateriellen Wirtschaftsgüter, wie z. B. ein Mandanten-
oder Patientenstamm und der Praxiswert.Unschädlich für eine steuerbegünstigte Veräußerung
ist, wenn zwar die eigentliche Praxis veräußert wurde, die bisherige
Tätigkeit aber geringfügig von dem Veräußerer weitergeführt
wird. Dies gilt jedoch nur, solange die darauf entfallenden Umsätze in
den letzten drei Jahren weniger als 10 % der gesamten Einnahmen ausmachen. Die Finanzverwaltung ging bisher davon aus, dass die Hinzugewinnung neuer Mandate
im Rahmen der geringfügigen Tätigkeit einen schädlichen Vorgang
bei der begünstigten Praxisveräußerung darstellt. Nach Auffassung
des Bundesfinanzhofs in seinem Urteil vom 11.2.2020 schadet das Ausnutzen alter
Beziehungen, um neue Mandate hinzuzugewinnen, nicht dem Vorgang der steuerbegünstigten
Veräußerung, solange der geringfügige Umfang nicht überschritten
wird. Dem hat sich nunmehr die Finanzverwaltung mit Schreiben vom 14.5.2020
angeschlossen.

Steuerliche Behandlung der Implementierung einer TSE bei Kassensystemen

Das sog. "Kassengesetz" verpflichtet zum Schutz von elektronischen
Aufzeichnungen von Kasseneinnahmen zu einer "Technischen Sicherheitseinrichtung"
(TSE). Eine TSE besteht i. d. R. aus einem Sicherheitsmodul, einem Speichermedium
und einer einheitlichen digitalen Schnittstelle. Die TSE ist zwar ein selbstständiges Wirtschaftsgut, es ist allerdings
nicht selbstständig nutzbar. Die Aufwendungen für die Anschaffung
der Hardware sind über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von 3
Jahren abzuschreiben. Ein Sofortabzug oder die Bildung eines Sammelpostens ist
nicht zulässig. Bei einer TSE, die als Hardwarelösung in ein bestehendes Wirtschaftsgut
eingebaut wird, sind die Aufwendungen für die Sicherheitseinrichtung als
nachträgliche Anschaffungskosten des jeweiligen Wirtschaftsguts zu berücksichtigen
und über dessen Restnutzungsdauer abzuschreiben. Entgelte für eine cloudbasierte TSE, die monatlich zu zahlen sind, können
sofort als Betriebsausgaben abgezogen werden. Die Aufwendungen für die
Implementierung der einheitlichen digitalen Schnittstelle, die die TSE an ein
elektronisches Aufzeichnungssystem sowie an die Finanzverwaltung für Kassensysteme
anbindet, gelten als Anschaffungsnebenkosten des Wirtschaftsguts "TSE".Vereinfachungsregelung: Mit Schreiben vom 21.8.2020 akzeptiert die Finanzverwaltung,
dass Kosten für die erstmalige Ausrüstung bestehender Kassen oder
Kassensysteme mit einer TSE sowie die erstmalige Implementierung einer einheitlichen
digitalen Schnittstelle in voller Höhe als Betriebsausgaben abgezogen werden
können.

Kommission empfiehlt schrittweise Anhebung des Mindestlohns

Laut einer Empfehlung der Mindestlohnkommission vom 1.7.2020 soll der gesetzliche
Mindestlohn in mehreren Stufen angehoben werden. Seit dem 1.1.2020 liegt dieser
bei 9,35 € brutto. In den nächsten Stufen steigt der Mindestlohn zum
1.1.2021 auf 9,50 €, zum 1.7.2021 auf 9,60 € und zum 1.1.2022 auf
9,82 €. Ab dem 1.7.2022 soll er dann 10,45 € brutto betragen. Der gesetzliche Mindestlohn gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
über 18 Jahre. Unter bestimmten Voraussetzungen haben auch Praktikantinnen
und Praktikanten Anspruch auf Mindestlohn. Ausgenommen vom Erhalt des Mindestlohns
sind z. B. Auszubildende, ehrenamtlich Tätige, Teilnehmerinnen und Teilnehmer
an einer Maßnahme der Arbeitsförderung und Angestellte mit Branchentarifverträgen.
Besondere Beachtung kommt hier den geringfügig Beschäftigten, den
sog. Minijobbern, zu. Bei Verträgen mit Minijobbern sollte überprüft
werden, ob durch den Mindestlohn die Geringfügigkeitsgrenze von 450 €
pro Monat überschritten wird.

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